Die Infografik, die zeigen soll, was in einer Minute im Internet passiert, operiert immer mit eindrucksvollen und großen Zahlen. Jede Minute laden User weltweit 500 Stunden Videomaterial hoch. Astronomische anmutende Werte.
Veränderungen: Welcher Service schafft es in die One-Minute-Internet-Darstellung?
Interessant ist allerdings auch, über die Jahre zu beobachten, welche Services überhaupt genug Stoff liefern, um es in eine solche „Eine Minute Internet“-Infografik zu schaffen. So spiegeln diese Grafiken, wie sie zum Beispiel von Domo (ein Anbieter einer Datenaggregationsplattform) angefertigt werden, globale Internettrends wieder. Vieles ist jedoch sehr auf die westliche Internetwelt bezogen. Große Player in Asien, insbesondere China wie WeChat oder QQ fehlen ganz, von TikTok abgesehen.
Aus deutscher Perspektive denkt man Internet heute eher strukturkonservativ. Wesentliche Verschiebungen haben nicht hierzulande und selten auch in Europa ihren Ursprung. Das mag an einer technologieängstlichen Tendenz in der Allgemeinbevölkerung liegen, an überzogenen Datenschutzbestrebungen oder an schlechter technologischer Infrastruktur im Land.
Internetpolitik ist in Deutschland rückwärtsorientiert. Missstände, die regelmäßig von Spiegel-Kolumnist Sascha Lobo („Digitalisierungsdrama in Deutschland: Hauptsache, es funktioniert für mich„, Podcast-Episode) oder auch Miriam Meckel, Professorin für Medien- und Kommunikationsmanagement an der Universität St. Gallen („Das Normale gibts nicht mehr„, Podcast-Episode), kritisiert werden.
Was auffällt: Unter der Auswahl, die Domo für dieses Chart vorgenommen hat, befindet sich kein einziger deutscher Dienst. Und tatsächlich: Es es wird einem kaum einer einfallen, der hier Platz finden könnte, weil der zumindest in der westlichen Internetwelt bedeutsam wäre. Nur Spotify kann man klar als europäischen Player einordnen.
In der aktuellen Darstellung der internetbezogenen Useraktivität befinden sich Kommunikations- und Kollaborationstools wie Micosoft Teams und Zoom. In der Corona-Krise haben diese eine enorme Bedeutung bekommen. Vorher waren sie nicht sichtbar. Ein sehr großer Player, der stets Stammgast war, fehlt diesmal: Google.
Die Google-Suche ist seit jeher einer der wichtigsten Treiber der Internetaktivität gewesen. Um die 100.000 Suchanfragen pro Minute in Deutschland sind kein Pappenstiel. Eventuell sehen die Autoren der Infografik die Bedeutung der Websuche als Interaktion schwinden oder halten sie in einem solchen Kontext nicht mehr für berichtenswert.
Andererseits gab es bei Google seit 2019 wenig Innovation. Dafür ist Facebook wieder dabei, wenn wohl auch nicht aus Neuigkeitsgründen, sondern weil die Plattform sich hochkontrovers verhält. 2018 fehlte Facebook. Foursquare, Flickr und Yelp werden wir wohl auch in kommenden Ausgaben nicht mehr sehen. WordPress war in der 2012 Ausgabe dabei und fehlt seitdem. Bei einem Marktanteil von nahe 40 Prozent wird es eigentlich Zeit für ein Update in diesem Aspekt.
Möglicherweise hätte man die E-Scooter-Sharingdienste mit aufnehmen können. Deren Geschäftsmodell basiert zwar nur mittelbar auf dem Internet, ist aber ohne Internet nicht denkbar.