Wenn Handelsriesen wie Neckermann oder Quelle aufgeben müssen, ist das spektakulär. Doch viele kleine Innenstadthändler sehen sich genau dem gleichen Druck ausgesetzt: Das Web und E-Commerce verändern das Kaufverhalten der einstigen Kundschaft. Bleibt nur der Exit? Man kann dagegen etwas tun.
Schon vor zwei Jahren hat die Wirtschaftswoche eine „Todesliste“ mit 50 Einzelhandelsunternehmen aufgestellt. Die Händler auf der Liste schienen ihr so bedroht, dass der baldige Exodus vorausgesagt wurde. Als Kriterien verwendeten die Unternehmensberater von Dr. Wieselhuber und Partner, von denen diese Todesliste „Category Killer“ stammt, viele Einzelfaktoren wie Loyalität, Image und Performance, die sie zu einem Fitscore-Index verrechneten sowie die kategoriebezogene Online Relevanz (z.B. also im Bereich Bücher, Unterhaltung/Elektro) und die Online Performance. Beides wurde dann im „Kill Thrill„-Index abgebildet.
Möglich, dass der Ansatz stark unter dem Eindruck der Niedergänge von Neckermann und Quelle stand und man kann diese Studie und ihre Präsentation sarkastisch und reißerisch finden, aber von der Hand zu weisen sind die Folgen des digitalen Wandels im Einzelhandel nicht. Er traf Handelsunternehmen mit voller, disruptiver Gewalt.
Die Unternehmensberatung hat so also 50 Handelsunternehmen identifiziert, von denen sie meinte, dass die Schwierigkeiten aufgrund der Umwälzungen im Einzelhandel bekommen werden. Das hat gerade die Website „Exiting Commerce“ nochmal thematisiert. Die Unternehmen auf der Todesliste gibt es heute, zwei Jahre später, immer noch, auch die, die ganz weit oben stehen, aber sie haben sich teilweise stark verändert, haben neue Beteiligungen integriert und sind noch auf den Onlinezug aufgesprungen.
Nichts spricht dafür, dass die Verschiebung in Richtung Online nur die großen Händler betrifft. Das ist zwar am deutlichsten und gesellschafts- und wirtschaftspolitisch brisant, doch auch der lokale stationäre Innenstadthändler mit ein bis drei oder vier Filialen ist betroffen. Auch in diesem Bereich reagieren die Händler eher mit dem Versuch, schnell weitere Filialen zu eröffnen, anstatt eine griffige Onlinestrategie zu verfolgen.
Haben da die ganz kleinen Händler mit einem Shop und zwei oder drei Verkäufer beziehungsweise Verkäuferinnen überhaupt eine Chance?
Eigentlich schon, aber auch sie müssen sich online engagieren: Für lokale Small Business Shops funktioniert Google My Business eigentlich ganz gut.
Auf der Suchergebnisseite zeigt Google oben rechts einen Treffer mit vielen Details, die Kunden interessieren könnten.
Das ist natürlich für Restaurants, Kneipen und dergleichen interessant, aber auch für Händler. Dieser sogenannte Knowledge Graph wird dann angezeigt, wenn der suchende User mit seiner Googlesuche erkennen lässt, dass er gerne zum Beispiel Laufschuhe stationär kaufen möchte.
Mit einer eigenen Facebook-Seite funktioniert das ähnlich, wenn man für seine Seite „Lokales Geschäft“ als Kategorie auswählt. Auch hier lassen sich allerlei Informationen hinterlegen, angefangen von einer Leistungsbeschreibung über die Öffnungszeiten bis hin zu Sonderangeboten, die man Kunden offerieren kann. Man muss dann natürlich dafür sorgen, sichtbar zu sein im Newsfeed der potentiellen Kunden. Hier wäre ein guter Ansatz, die schon vorhandenen Kunden im Laden anzusprechen und sie zu motivieren, den Seite zu „liken“. Wer das tut, kann ja mit einem kleinen Goodie belohnt werden, wenn er wieder mal im Laden ist. Natürlich kann man sich bei Facebook diese Sichtbarkeit auch kaufen, doch auch ohne Geld, organisch, wie man auch sagt, kann man erst einmal einsteigen.
Außerdem sollte jedes stationäre Geschäft eine Website haben. Viele Händler betreiben eine Seite, vernachlässigen diese aber sträflich, weil nie der Bedarf nach Aktualisierung gesehen wurde. Das rächt sich mit der Zeit. Außerdem wird eine rein statische Seite, die gerade mal die Öffnungszeiten und die Adresse kommuniziert, nicht mehr ausreichen. Die User wollen und erwarten heute mehr. Wie wäre es also mit einem Blog, den man regelmäßig mit Informationen, Statements, Produktnews und so weiter bestückt? Diese Inhalte lassen sich auch sehr gut im sozialen Web teilen, nicht nur über Facebook, es gibt auch noch Instagram, Pinterest, Twitter und viele, viele weitere Plattformen.
In einigen Städten laufen öffentlich oder gemeinschaftlich finanzierte Kampagnen, um das lokale Gewerbe zu stärken und die Innenstädte attraktiv zu halten. Leerstehende Läden sind der Alptraum jedes Bürgermeisters und sichtbares Zeichen des digitalen Wandels. Es loht sich, sich in den lokalen Initiativen zu engagieren, auch wenn teilweise viel Unsinniges produziert wird.
Das alles klingt nach wahnsinnig viel Arbeit – und das ist es auch. Als Händler ist man zunehmend nicht mehr nur Händler, der Waren einkauft und sie wieder verkauft, sondern man wird zum Webseitenbetreiber, Online Marketing Spezialisten und Business Developer. Die Frage, die sich betroffene Händler ohne Know How oder Erfahrung stellen, ist, ob sich das mit dem Internetkram denn lohnt. Diese Frage stellten sich Management Boards und Aufsichtsräte bei Karstadt7Quelle und Neckermann sicher auch lange und intensiv. Ein altes Mindener Sprichwort sagt, „wer nicht mit der zeit geht, geht mit der Zeit.“
Wie packt man das an, ohne Weberfahrung, ohne E-Commerce-Know-How?
Der erste Impuls muss kommen. Es gilt, anzufangen. WordPress ist ein phantastisches Softwareprodukt, das noch nicht mal etwas kostet. Das muss auf einem Server oder Webhosting-Account laufen – dafür gibt es goneo. Wir haben Hostingpakete jeder Größenordnung im Angebot. Damit startet man eine eigene Website zum stationären Shop. Wenn schon eine Art Visitenkartenseite existiert, dann kann man beispielsweise direkt einen Blog „ranhängen“, ansonsten wird es vielleicht ohnehin mal Zeit für etwas Neues.
Mit WordPress kann eigentlich jeder eine Webseite aufbauen. Wer den Aufwand scheut, sucht sich einen erfahrenen Webdesigner, der eventuell als Freiberufler arbeitet und zahlt im 500 bis 1.500 Euro, damit er eine Seite mit WordPress aufbaut und erklärt, wie man nun selbst Inhalte online bringen kann. Dies ist wichtig, wenn der Onlineauftritt erst einmal nicht so teuer werden soll. Natürlich kann man auch das Inhalteerstellen outsourcen.
Ist die eigene Seite auf WordPress-Basis einmal etabliert, kann man WordPress aufbohren und zum Beispiel mit der Erweiterung (Plugin) WooCommerce Produkte online vertreiben. An diesem Punkt muss man etwas aufpassen. Der Onlineshop muss rechtskonform sein. So wie es allerlei Vorschriften für den stationären Handel gibt, zum Beispiel, wie die Preise im Schaufenster ausgezeichnet sein müssen, gelten viele Regelungen für einen Onlineshop. Aber als Händler ist man Fachmann des Metiers und kennt die Produktdarstellungspflichten zur Genüge. Das schafft einen Vorteil. Allerdings muss man sich zusätzlich noch mit Fernabsatzgesetz und Teledienstegesetz auseinandersetzen.
Es gibt mehr als WordPress. Vielleicht wollen Sie ja lieber Joomla einsetzen oder Drupal. Das ist oft Geschmackssache. Jedes dieser Content Management Systeme hat spezifische Vor- und Nachteile und kann mit einer Shoperweiterung ergänzt werden. Es gibt aber auch reine Onlineshop-Anwendungen. Wir bei goneo verweisen gerne auf OpenCart oder OSCommerce. Auch Magento ist sehr beliebt.
Die Onlinepräsenz wird für mehr Sichtbarkeit im Web sorgen, vor allem im lokalen Raum. Wenn man so weit ist, Produkte online vertreiben zu können, dann kann man diese Produkte auch spezifisch online bewerben, sei es lokal ober überregional. Sowohl Google als auch Facebook haben Marketingtools dafür, die allerdings Geld kosten.
Wichtig ist, man findet zunächst seine eigene, passende und funktionierende Systematik, analog wie auch im stationären Laden zunächst eine Systematik entwickelt werden musste. Auch da kamen das Warenwirtschaftssystem, die Kasse, die Kreditkartenabrechnung oder die Anbindung an das Buchhaltungssystem nicht aus dem luftleeren Raum. Über die Jahre hat sich das eingespielt.
Früher reichte die reine Präsenz in der Innenstadt manchmal schon aus und die Kunden kamen von alleine durch die Tür. Das passiert heute zunehmend seltener. Man muss Werbung treiben, die auch anders aussieht als früher. Eine Anzeige einmal im Monat im Anzeigenblättchen wird nicht mehr so viel bringen. Man muss sich neue Gedanken machen, wie man sein Geschäft promotet. Auch dabei helfen die Bestandskunden. Wenn die zufrieden sind, erzählen sie es weiter (wenn sie unzufrieden sind übrigens auch und das noch viel lieber). Wenn man ihnen einen Vorteil bietet, einen Rabatt oder ähnliches, nutzen Kunden dies gerne. Also: Weisen Sie bestehende Kunden auf die Facebookseite hin und auch auf die eigene Webseite. Aber: Verlassen Sie sich nicht auf Facebook und kommen Sie nicht auf die Idee, alles über Facebook machen zu wollen. Sie brauchen eine eigene Website mit eigenem Domainnamen.
Wichtig ist immer, die Facebookseite wie auch die eigene Seite mit Inhalt zu füllen, auf Useranfragen zu reagieren, Dinge zu kommentieren, Aktionen zu machen, Sonderangebot zu unterbreiten – jeden Tag. Nein, es ist nicht einfach, es ist kein Selbstläufer, aber man spielt auch zukünftig noch mit.